Für eine internationalistische Linke

Statement on Palestine (in German) by Die Linke Wedding and Linksjugend Wedding


27/06/2024

You can read the English version of this text here.

Die Europawahl liegt nun hinter uns. In Mitte blicken wir mit einer gewissen Erleichterung auf ein stabiles Ergebnis, ohne gravierende Verluste. Im Wedding haben wir in einigen Stimmbezirken sogar Gewinne einfahren können. Besonders freuen können wir uns in diesen Tagen aber nicht. Europaweit sind faschistische Kräfte auf dem Vormarsch, und das bundesweite Ergebnis der Linken ist trotz mancher Lichtblicke desaströs. 

Angesichts der Tatsache, dass das Thema “Friedenssicherung” bei den Wähler:innen an erster Stelle gestanden hat, werten wir dieses Ergebnis nicht zuletzt als Kritik vieler Menschen an der widersprüchlichen Positionierung unserer Partei zu Israels Kriegs- und Besatzungspolitik und anderen friedenspolitischen Themen. Auch wir als Aktivist:innen an der Basis der Linken haben in den letzten Monaten und insbesondere im Wahlkampf eine zunehmende Frustration verspürt. Frustration darüber, dass Positionen wie die Ablehnung von Waffenlieferungen, die Opposition gegen jede Form von Unterdrückung und das Einstehen für demokratische und gleichberechtigte Verhältnisse im Kontext des Krieges in Gaza von Mitgliedern unserer Partei in der Öffentlichkeit permanent angegriffen worden sind. Wären diese Positionen in unserer Partei verinnerlicht worden, wäre unsere Haltung bei Ausbruch der neusten Eskalation unmissverständlich gewesen: Waffenstillstand jetzt, Unterstützung einer demokratischen politischen Lösung, die auch das Selbstbestimmungsrecht des palästinensischen Volkes berücksichtigt, klare Ablehnung aller Angriffe auf Zivilist:innen von beiden Seiten. Statt eine solche internationalistische Haltung einzunehmen, schlossen sich unsere Abgeordneten unmittelbar nach dem 7. Oktober mit allen anderen Parteien im Bundestag inklusive der AfD zusammen, um Waffenlieferungen nach Außen und Repression nach Innen zu fordern. Für die Verzehnfachung der Waffenlieferungen an Israel seit Oktober 2023 und für die massive Verschärfung staatlicher Angriffe sowohl gegen die Palästinasolidarität als auch gegen die palästinensische Gemeinde trägt unsere Partei darum eine nicht zu leugnende Mitschuld. 

Im Bewusstsein der Gefahr, die diese öffentliche Haltung für die Glaubwürdigkeit der Linken als internationalistische Partei bedeutete, haben wir in den vergangenen Monaten einerseits gemeinsam mit vielen anderen Genoss:innen der Partei auf Demonstrationen und Veranstaltungen unsere Stimme gegen Krieg und Besatzung erhoben. Und andererseits haben wir diese Stimme auch immer wieder in unsere Partei selbst hineingetragen. So ging etwa der Beschluss „Sofortiger Waffenstillstand und Stopp der Unterstützung für den Krieg in Gaza“ der Hauptversammlung des Bezirksverbands Mitte vom 23. März auf unsere Initiative zurück. Wir haben uns dafür eingesetzt, dass das Wahlmaterial zumindest in Mitte durch Plakate ergänzt wird, die einen Stopp der deutschen Unterstützung für den Krieg in Gaza fordern. Und wir haben gemeinsam mit vielen anderen Genoss:innen in der Linken unsere Gruppe im Bundestag dazu aufgerufen, einen Antrag zur Anerkennung Palästinas zu stellen. 

Während wir bei jedem Schritt stets bemüht gewesen sind, einen freien Meinungsaustausch innerhalb unserer BO zu gewährleisten und uns auf allen Ebenen bei der Ausarbeitung der Parteiposition einzubringen, müssen wir konstatieren, dass der Umgang mit internationalistischen Positionen vonseiten bedeutender Teile der Partei in den letzten Monaten besorgniserregende Züge angenommen hat. In diesem Kontext heben wir beispielhaft hervor:

  • Die Teilnahme von Berliner Abgeordneten der Partei am Bündnis „Gegen antisemitischen Terror“ und spezifisch ihre Unterzeichnung einer Erklärung, die staatliche Repression gegen den u.a. von Mitgliedern der Linken mitorganisierten Palästina-Kongress faktisch legitimiert und zum Gegenprotest aufruft. Die beiden Abgeordneten machten sich Eins mit deutschen Rechten aus CDU und FDP, um den Organisator:innen des Kongresses, zu denen viele jüdische Linke zählen, „die Verbreitung antisemitischen Hasses“ vorzuwerfen.
  • Die Organisation einer Blockade gegen eine linke palästinasolidarische Demonstration durch eine Landtagsabgeordnete der Linken in Halle.
  • Die Unterstützung vonseiten einer sächsischen linken Abgeordneten und Sprecherin für antifaschistische Politik für ein Vereinsverbots gegen Handala Leipzig.

Während in der Öffentlichkeit mit Hetze und Verleumdung die staatliche Repression gegen linke Aktivist:innen innerhalb und außerhalb der Partei angefeuert wird, wird in der Partei selbst die notwendige Debatte eingeschränkt. So entschied sich eine knappe Mehrheit der Delegierten auf dem Berliner Landesparteitag vom 27. April für eine Nichtbefassung der beiden palästinabezogenen Anträge aus Mitte und Neukölln, die in ihren jeweiligen Bezirken eine breite Unterstützung gefunden hatten. Einige von denen, die innerhalb der Partei die inhaltliche Debatte abwehren, fordern nach Außen hin lautstark die Kriminalisierung von Palästinasolidarität und Unterstützung für Israels Krieg.  

Das neuste Wahlergebnis zeigt, dass die Tilgung internationalistischer Positionen aus unserem öffentlichen Profil und die Unterstützung der deutschen Staatsräson die Glaubwürdigkeit unserer Partei nur noch weiter untergräbt. Denn gerade jetzt ist eine starke Linke nötig, die die Ablehnung der deutschen Unterstützung für Israels Krieg in der breiteren Bevölkerung und die wachsende Solidaritätsbewegung zu einem geeinten politischen Ausdruck verhilft. Eine Linke, die überall mutig gegen Unterdrückung, Repression, und für einen sofortigen und dauerhaften Waffenstillstand eintritt. Eine Linke, die dort geeint auftritt, wo es zählt, weil sie eine demokratische Debattenkultur aushalten kann. Wir ziehen aus dem Wahlergebnis den Schluss, dass nicht nur wir an einer solchen Linken interessiert sind, sondern auch unzählige Mitstreiter:innen außerhalb unserer Partei, mit denen wir seit Monaten auf der Straße sind, sowie weite Teile der Bevölkerung, die auf der Suche nach einer Alternative zu Militarismus und Waffenlieferungen sind. 

Um diese Menschen zu erreichen und sie für eine internationalistische Linke zu gewinnen, wollen wir als BO Wedding von nun an innerhalb der Solidaritätsbewegung als Mitglieder unserer Partei deutlich erkennbar sein. Wir folgen damit dem Beispiel unserer Genoss:innen aus Neukölln, die seit langem mit Parteifahnen und -transpis an den wöchentlichen Friedensdemonstrationen teilnehmen. Mit ihnen und allen weiteren Mitstreiter:innen wollen wir deutlich machen: Wenn die Linke als sozialistische Partei bestehen bleiben soll, muss die Verteidigung und Ausweitung internationalistischer Positionen in der Linken ein Anliegen der ganzen Friedensbewegung werden!

 

Basisorganisation Wedding 

Linksjugend Wedding